Tiere im Vermehrungsgarten

Verfasst von Kornelia Stock am .
Foto: A. Witterstein, Laufkäfer

Der Vermehrungsgarten ist nicht nur ein Hort der Pflanzenvielfalt.
Auch eine Vielzahl an Tieren fühlt sich hier sehr wohl. Wir registrieren diese Tatsache und tun das Unsere damit dies auch so bleibt.
Bewusst pflanzen wir einige Pflanzen um der Insekten Willen. Ein Insektenhotel und einige Bündel aus dicken hohlen Halmen, die von einigen Wildbienenarten bevorzugt genutzt werden sowie eine ganze Menge Totholz sind ebenfalls vorhanden. Doch auch ohne unsere sechsbeinigen Mitgeschöpfe in der Pflanzenauswahl extra zu berücksichtigen, wäre der Tisch für sie reich gedeckt. Ganz im Gegensatz zu großen Teilen unserer Kulturlandschaft, blüht im Vermehrungsgarten immer etwas. Viele Kräuter und Zierpflanzen stellen Pollen und Nektar bereit. Aber auch die Gemüse tragen ihren Teil dazu bei. Um Saatgut zu produzieren muss das Gemüse zur Blüte gebracht werden. So blühen neben Paprika, Bohnen und Kürbis, die ohnehin blühen müssen um die von uns ersehnten Früchte zu bilden, auch Salate, Kohle und Zwiebeln. Bei letzteren ist dies normalerweise nicht erwünscht, da sie uns zarte Blätter oder pralle Zwiebeln liefern sollen.

Allein die Vielzahl an Kultur- und Wildpflanzenarten im Vermehrungsgarten schafft vielen Insekten, Spinnentieren und anderen Wirbellosen ein Plätzchen. Es geht ja auch nicht immer nur um Bestäubung. Futterpflanzen sind beispielsweise für Schmetterlingsraupen ebenfalls unverzichtbar. Die bodenschonende Wirtschaftsweise sowie der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz und mineralische Düngemittel tragen zur Vielfalt sicher ebenfalls bei. Es zeigen sich einige Arten, die man nicht überall zu sehen bekommt.

Auf dem Blatt einer Nachtkerze entdeckten wir die Raupe des „Mittleren Weinschwärmers“.
Dieses Tier, welches etwa die Größe eines kleinen Fingers hat, verfügt über zwei Paar Scheinaugen, die Fressfeinden ein weit größeres Tier vortäuschen sollen. Aus der schon beeindruckenden Raupe ist mittlerweile hoffentlich ein ebenso beeindruckender Nachtfalter geworden.

Wenn auch bedeutend kleiner, steht die Raupe der „Ampfereule“ der des „Mittleren Weinschwärmers“ in puncto Schönheit und Seltenheit in nichts nach.
Wir fanden sie auf dem Blatt des Frauenmantels.

An einem anderen Tag entdeckten wir eine besonders große Schwebfliege auf einer Zwiebelblüte.
Wie wir später recherchierten imitieren sie Hornissen. Ihre Larven wachsen sogar kommensalisch in Hornissennestern auf. Sie genießen den Schutz, den die Hornissen bieten, schädigen sie dabei aber nicht.

Wer hat schon mal einen Pinselkäfer gesehen? Dieser schöne, gar nicht mal so kleine Käfer mit dem lustigen Namen mag vor allem Rosen, die er bei seinem Besuch beiläufig bestäubt.

Große, alte Bäume und Gebüsch im Wechsel mit mehr oder weniger häufig gemähter Wiese und Rasen - das gefällt dem Grünspecht, der am Rande des Vermehrungsgartens gebrütet hat. Sicher weiß er es auch zu schätzen, dass er im Vermehrungsgarten die meiste Zeit seine Ruhe hat. Er liebt aber auch Ameisen, die er im kurzen Rasen besonders bequem konsumieren kann. Davon gibt es hier reichlich.

Offenbar fühlt sich auch eine Waschbärenfamilie im Vermehrungsgarten sehr wohl. Auf jeden Fall wissen die schlauen Tiere das abwechslungsreiche Nahrungsangebot im Vermehrungsgarten sicher zu schätzen.Ganz deutlich zeigte sich dies am Vogelfutter, in dem Rindertalg verarbeitet wurde.
Sie plünderten einige Male die Futterhäuschen, bevor es uns gelang den nächtlichen Mundraub zu unterbinden. Ihnen bleiben neben leckeren Mäusen, Engerlingen und Würmern ja auch noch verschiedene Beeren, Äpfel und anderes Obst.
Allerdings leben im Vermehrungsgarten nicht nur Tiere die uns durch ihre Anwesenheit erfreuen. Manche haben uns das Leben ganz schön schwer gemacht.

Eines Tages stellten wir mit Erschrecken fest, dass uns irgendwer das kostbare Saatgut der Erbsensorte „Däumling“ entwendete. Als wir es bemerkten, war es eigentlich schon zu spät. Vorgewarnt merkten wir schnell, dass der Übeltäter sich nun den anderen Erbsensorten zuwendete. Die Überreste der Beute verrieten die Diebe. Waldmäuse ernteten, sobald wir den Garten verließen, unsere Erbsen. Sicher verloren wir einen guten Teil des Saatgutes. Wir hatten einige Mühe, wurden der Diebesbande aber auf konventionelle Weise Herr. Der Bussard hat sich gefreut.

Auch hatten wir geglaubt, im Vermehrungsgarten gäbe es keine Wühlmäuse. Wir wurden eines Besseren belehrt, als eines Tages unsere wunderschön gewachsenen Zichorien, die übrigens überhaupt nicht bitter schmecken, begannen zu welken. Eine nach der anderen ging ein. Nahm man die verwelkte Pflanze hoch, so tat sich darunter ein Loch auf. Die komplette Wurzel fehlte. Schnell war klar, dass es sich bei den Übeltätern um Wühlmäuse handeln musste. Auch über die zwei, gar nicht so kleinen, Mäuse freute sich der Bussard. Den übrigen Zichorien hat das aber angesichts des winterlichen Frostes, dem sie offenbar nicht gewachsen waren, aber leider nicht genützt.

Das Jahr war relativ feucht. Wen wundert es also, dass die Schnecken sich prächtig entwickelten.
Sobald sich eine Wolke vor die Sonne schob, kamen sie aus ihren Verstecken. Sie warten unter Blättern, in Erdspalten und Löchern unter allem was ihnen Schutz vor dem Austrocknen bietet, bis es draußen wieder erträglich für sie wird. Es ist fast einfacher aufzuzählen was sie nicht gerne fressen, als aufzuzählen was sie alles mögen.
Sie höhlten Auberginen aus und fraßen Paprika an, die dann noch schneller schimmelten als sie das ohnehin taten, bei solch einem Wetter. Sie fressen gerne junge zarte Keimlinge. Doch gerade als Keimlinge sind die Pflanzen natürlich am verletzlichsten. Ein Bissen von der falschen Stelle und eine Pflanze ist hinüber.  Die Stangenbohne „Türkisch Orca“ mussten wir aus diesem Grund mehrfach nachlegen. Auf eine Kürbissorte mussten wir in diesem Jahr gänzlich verzichten. Sammeln, sammeln, sammeln hieß die Devise. Auf ein paar Körner Bio-Schneckenkorn konnten wir dennoch nicht verzichten.

Dann und wann muss eben auch einmal regulierend eingegriffen werden, da nicht jeder Gast im Garten gerne gesehen ist. Dabei macht eine Handvoll Schnecken oder Mäuse noch keine Katastrophe. Also nicht übertreiben mit der Regulierung. Das Gärtnern ist eine Tätigkeit, die in der Natur stattfindet, von ihr in hohem Maße abhängig ist und daher bestenfalls im Einklang mit ihr stattfinden sollte. Daher sollte nach Möglichkeit auch ein bisschen Platz für jedes unserer Mitgeschöpfe in unseren Gärten und unseren Herzen sein.

Text: A. Hachmann