Ein Garten ist ein umzäunter, geschützter Ort, der Pflanzen und Tieren Raum zum Leben gibt.
Der Vermehrungsgarten ist mein Herzensprojekt, das von vielen BürgerInnen mitgetragen und geliebt wird.
Der Vermehrungsgarten als Ort zum Erhalt der biologischen Vielfalt, als pädagogischer Lernort für die BürgerInnen ist akut in Gefahr.
Im Frühjahr 2019 sind wir von der Straßenbaubehörde über die geplanten Baumaßnahmen für die Sanierung der Brücke über die Beeke, Ihme informiert worden.
Im Rahmen dieser Maßnahmen würde der Vermehrungsgarten einen Teil des Geländes verlieren, weil eine Baustraße auf das Gelände führen würde. Wir erhielten Pläne, auf welchen Teil des Gartens wir verzichten müssten: den Fahrradparkplatz, Tische und Bänke im Eingangsbereich, das Kompostklo und den zweite Folientunnel. Mit der Bohrung für den zweiten Brunnen haben wir abgewartet, bis die Planung konkret war. Der Umbau der Bauten auf der zu verlierenden Fläche wurde zugesichert. Der Beginn konnte noch nicht festgelegt werden, ca. 2022 – 2024. Die Bauarbeiten sollten zwei Jahre Verlust eines Teils der Fläche bedeuten. Uns war wichtig, dass wir einen ausreichend langen Vorlauf vor dem Beginn bekommen würden. Als ehrenamtliches Projekt könnten wir die ganzen Umbau- und Umsetzungsmaßnahmen sonst nicht bewältigen. Das wurde uns zugesagt.
Dann passierte lange Jahre nichts. Auf die Planung des Ausbaues des Südschnellweges folgte ein großer Protest und es ging nur langsam voran. Wir fühlten uns in relativer Sicherheit, weil wir ja rechtzeitig über den Beginn informiert werden sollten.
Der Vermehrungsgarten hat seine Arbeit weiter erfolgreich fortgeführt. 2020 wurden wir als „Ausgezeichnetes Projekt UN-Dekade Biologische Vielfalt 2020“ geehrt.
Weiterhin wurden samenfeste Sorten erhalten, haben wir neue Sorten von Familien zum Erhalt bekommen, haben weiterhin die Öffentlichkeit informiert, haben bei Veranstaltungen Saatgut und Pflanzen an Haus-, Klein- und BalkongärtnerInnen weitergegeben. Von vielen Stellen wurde der Vermehrungsgarten immer wieder für die wichtige Arbeit beim Erhalt der vielen samenfesten Gemüse- und – Kräutersorten gelobt.
Im August 2024 erhielten wir einen Anruf der Straßenbaubehörde. Ein neuer Mitarbeiter sollte das Projekt „Sanierung der Straßenbrücke über die Beeke/Ihme“ nun umsetzen. Um sich über die Gegebenheiten vor Ort zu informieren, sollte es einen Termin im Vermehrungsgarten geben. Dieser wurde auf den 18. Oktober terminiert.
Um auf den Termin vorbereitet zu sein, haben wir mit den uns bekannte Pläne und mit dem Landschaftsarchitekten A. Ackermann überlegt, wie der Vermehrungsgarten so umgestaltet werden kann, dass die Baustelle und der Vermehrungsgarten nebeneinander bestehen können. Es war uns klar, es wird ein anderer Garten werden.
Der Umbau betrifft die Gegenstände und Bauten, die sich auf der zukünftigen Baustraße befinden: der Fahrradparkplatz, die Tische und Bänke im Eingangsbereich, das Kompost-Klo und der zweite Folientunnel. Mit diesen Vorüberlegungen fühlten wir uns also vorbereitet und waren weiterhin kompromissbereit.
An dem Termin nahmen teil: drei Mitarbeiter der Straßenbaubehörde, zwei Vertreter des FB Wirtschaft, zwei Vertreter des FB Umwelt und Stadtgrün und der stellvertretende Bezirksbürgermeister von Ricklingen. Der Vermehrungsgarten war mit mir ersten Vorsitzenden des Vereins „Vermehrungsgarten Hannover e.V.“ und einem weiteren Vorstand des Vereins vertreten.
Zu Beginn des Gespräches habe ich verdeutlicht, der Vermehrungsgarten ist seit zehn Jahren erfolgreich auf der Fläche, wir haben Verständnis, dass die Brücke saniert werden muss und möchten erreichen, dass das Weiterbestehen des Vermehrungsgartens Ziel ist.
Am 18. Oktober wurde kurz vor dem gemeinsamen Termin das Baufeld markiert. Es wurden Pflöcke eingeschlagen und es war sichtbar, der Vermehrungsgarten würde viel mehr Fläche verlieren als die Planung 2020 dargestellt hat. Das Baufeld würde den Gemüseanbau auf einigen Flächen unmöglich machen. Für Umsetzungen würde der Platz knapp.
Zu dem Termin wurden von der Behörde die aktuellen, nun mit Planfeststellungsverfahren versehenen Pläne auf den Tisch gelegt. Es gab nur den einen gezeichneten Plan, der nicht für alle vorab bekannt gemacht wurde.
Es wurde deutlich, es wird nicht auf Augenhöhe mit uns verhandelt und ein Kompromiss gesucht, sondern man will den Plan umsetzen.
Durch die Errichtung der Baustelle verliert Ricklingen einen Teil der Hartholzaue, die bisher typisch war. Davon sind nicht nur viele Bäume und Arten betroffen, sondern auch viele hier lebende Tiere, wie Eisvogel, Grünspecht, Bundspecht, Habicht, Falke und Käuze. Es gibt verschiedene Fledermäuse. Viele Singvögel brüten auf dem Gelände und ziehen ihren Nachwuchs auf. Auf der geplanten Baustelle gibt es ein großes Vorkommen von Wiesenschaumkresse, der Nahrung für den Aurorafalter und seiner Raupen ist. Durch die zehnjährige Arbeit auf dem Gelände haben wir erreicht, dass sich die Fauna und Flora weiter vergrößert. So wurden z.B. Wildbienen, wie die Natternkopfbiene angesiedelt.
Natürlich will man nun sehen, was ist an besonderen Pflanzen und Tieren gibt. Ein besonderer Schutzstatus, z.B. für besondere Ameisen wird es aber nicht geben. Die Vertreterin der Straßenbaubehörde für den Umweltschutz war nicht als Vertreterin des Umweltschutzes zu erkennen, sie fand zumeist Entfernung aller Pflanzen auf dem Baufeld und Baustellenzäune als Mittel der Wahl.
Unser Vorstellungen und Planungen wurden nicht gewürdigt. Der Vermehrungsgarten als Experte für das Gelände wurde nicht geachtet. So auch unsere Sorge, der Garten würde durch die Baustelle nicht ausreichend geschützt, nicht geachtet. Bisher ist das Gelände etwas abseitig und es gibt nur wenige Schäden durch unliebsame BesucherInnen. All diese Einwände wurden nicht gewürdigt.
In 2019 wurde uns zugesichert, alle baulichen Veränderungen würden vom Land übernommen. Nun wir zum nächsten Termin eine Begutachtung der bestehenden Einrichtungsgegenstände geplant. Wir können anschließend entscheiden, ob – wie 2019 zugesagt – das Land die Umbauten übernimmt oder wir den ermittelten Betrag wollen und die Übernahme der entstehenden Aufgaben selbst übernehmen. Unsere Sorge ist, wir werden über den Tisch gezogen und können nur verlieren. Weil die Umbauverpflichtung des Landes wegfällt und wir in großem Umfang zusätzliche Arbeit bekommen. Wir sind in diesem Zusammenhang auf das zugesagte Protokoll und die Pläne gespannt.
Von der wahrscheinlichen Dauer der Maßnahme von ca. 2 Jahren ist nicht mehr die Rede, es soll 8 – 10 Jahre dauern.
Ich habe den Garten in den letzten zehn Jahren mit vielen UnterstützerInnen aufgebaut. Habe immer wieder neue ehrenamtliche Mitarbeiter gewonnen und mit ihnen den Garten und die vielen Sorten und Kulturen gepflegt und erhalten. Ich bin jetzt 70 Jahre alt und werde nicht die bis zu 10 Jahre neben einem so unkooperativen Nachbarn aushalten können.
Weiterhin sind wir kompromissbereit mit dem Ziel ein erfolgreiches Nebeneinander zu erreichen.
Wir erwarten, dass es eine Planung auf Augenhöhe gibt und nicht ein brutales Umsetzten der bestehenden Pläne.
Kornelia Stock
erste Vorsitzende des Vereins „Vermehrungsgarten Hannover e.V.“
23.10.2024